05.07.2011

Testläufe

Die ersten zwei Testlaufblöcke dieser Saison sind vorbei und meine Leistungen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Während ich Ende Mai, als es um Weltcupstartplätze ging, überhaupt nicht auf Touren kam, gewann ich sechs Wochen später bei den WM-Testläufen meinen ersten Elite-Testlauf.

Über die Mitteldistanz im Schallenberg im Emmental fand ich einen denkbar schlechten Einstieg in die diesjährigen Testläufe. Ich hatte eine super Vorbereitung, die mir grosse Sicherheit und Zuversicht für die Wettkämpfe gab. Entsprechend ruhig war ich vor dem Start. War ich zu entspannt? Diese Frage kam mir plötzlich auf und weil ich sie mit ja beantwortete, versuchte ich im letzten Moment noch künstlich Nervosität aufkommen zu lassen, mich zu puschen. Dieses im Nachhinein sehr dumm anmassende Verhalten führte zu einer schlechten Mischung unter der ich während dem gesamten Rennen keinen Rhythmus fand. Am nächsten Tag beim Sprint war ich immer noch verkrampft im Bauch und lief nicht locker und offensiv auf. Noch ein Rückschlag. Auf die abschliessende Langdistanz in Frankreich freute ich mich sehr - das Gelände rund um die WM-Sperrgebiete gefällt mir! Über die sehr lange Strecke bei heissen Temperaturen konnte ich aber auch nicht meine Möglichkeiten ausschöpfen und so das Gesamtbild des ersten Testlaufblocks nicht verschönern.

Hohe Erwartungen an den CISM World Games

Mit diesen Resultaten verpasste ich selbstverständlich die Selektion für die Nordic Orienteering Tour, sprich die ersten Weltcupläufe. Die Leistungen und die Nicht-Selektion frustrierten im ersten Augenblick, aber bei der genauen Analyse sah ich auch, dass ich nicht grundsätzlich schlecht in Form war. Und so baute sich fortan immer mehr Vorfreude auf die WM-Testläufe in Frankreich auf. In Kadertrainingslagern und einem persönlichen Aufenthalt nahe den Testlaufgebieten sammelte ich wertvolle Erfahrungen im sehr anspruchsvollen Gelände und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mir diese Karstwälder liegen.

So ging ich mit einer Freude im Bauch in die Mitteldistanz und machte mich diesmal auch nicht selbst verrückt vor dem Start. Der Einstieg gelang nicht ganz nach Wunsch, zu den ersten beiden Posten schlichen sich kleine Bögen ein. In der Folge fand ich einen guten Fluss, nahm sichere Routen. Als die Bahn für die letzten Posten noch in ein sehr flaches und unübersichtliches Gebiet führte, erfuhr ich eine Schrecksekunde. Ich hatte wieder eine sichere Route geplant und kam auf einem kleinen Weg in die Nähe des Postens. Dort stimmte dann aber die Geländeform nicht mehr und ich wurde etwas stutzig. In dieser Situation zeigte sich dann aber, dass ich heute wirklich voll auf der Höhe war - ich nahm mir die Zeit zu rekonstruieren und bemerkte, dass ich einen Hügelzug weiter südlich in den Postenraum gelaufen war, wo sich anscheinend ein neuer Pfad gebildet hatte. So konnte ich den Fehler auf etwa eine Minute beschränken und kam nach kontrolliert angelaufenen letzten Posten glücklich ins Ziel. Ich hatte mit einer etwas zu sicher gewählten Route und den erwähnten Umwegen etwa 3 Minuten Fehler auf dem Konto, was aber für dieses sehr schwierige Gelände im Rahmen liegt. Und da meine Teamkollegen durchgehend mehr Mühe mit dem sehr technischen Wettkampf hatten, durfte ich meinen ersten Elite-Testlauf-Sieg feiern! Im Sprint in der wunderschönen Stadt Annecy unterlief mir ganz zu Beginn ein grober Fehler. Ich traf die falsche Routenwahlentscheidung und verpasste dann auch noch eine Abzweigung. Der Rest des Laufes lief ich aber fehlerfrei und so klassierte ich mich als sechster Schweizer erneut weit vorne.

Über die Langdistanz startete ich sehr gut. Ich hatte ein wohliges Gefühl, lief kontrolliert und hatte die Karte und das Gelände im Griff. Dann kam ein Postenstandort, bei dem es kaum Details im Gelände hatte. Ich verfügte über das richtige Konzept und stach von einem klaren Attackpoint in den Postenraum. Beim ersten Versuch lief ich dann aber wohl wenige Meter an der Flagge vorbei und fing mich hinter dem Posten wieder auf. Auch der zweite Versuch endete ohne Erfolg und erst beim dritten Anlauf sah ich endlich den heiss gesuchten Stein. Dies hob mich aber nur kurz aus dem Konzept und ich fand meinen Rhythmus zwei, drei Posten später wieder. Nach gut der Hälfte des Laufes holte mich der sechs Minuten nach mir gestartete Rollier auf. Ich nahm für einige Posten seine Pace an, musste aber erkennen, dass er auf einem anderen Level lief als ich. Physisch hatte ich keine Mühe zu folgen, aber in diesem Tempo konnte ich auf der Karte nur noch spärlich kontrollieren, geschweige denn eine saubere Route planen. Ich war etwas im Zwiespalt, denn einerseits wusste ich, dass Baptiste sehr gut unterwegs ist, auf der anderen Seite konnte ich es nicht mit mir vereinbaren, ihm einfach nachzurennen und ab und zu Objekte zu kontrollieren. So blieb ich einen Moment stehen um meine eigene Route zum nächsten Posten zu planen und diese auch auszuführen. Und schon war er weg. Bis ins Ziel kassierte ich dann nochmals ähnlich viel Rückstand wie bis zum Zeitpunkt als er aufgelaufen war. Aber ich hoffe, mit der selbständig gelaufenen Schlussphase etwas in künftige Langdistanzen investiert zu haben.

Trotz den stabilen Läufen und guten Resultaten hatte ich zu keinem Zeitpunkt die Erwartung, einen WM-Startplatz zu erhalten. Beim ultrastarken Herrenteam genügen im Moment nicht nur gute Leistungen an den Testläufen, man muss sich mehrmals vorgängig auch international etablieren können. Als Alternative winken aber die Military World Games in Rio de Janeiro. Ja, in Rio!

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